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Phosphor im Abwasser – das Gold der Zukunft?

Von am 20.02.2021 0 Kommentare

Die Basics

Phosphor (P) ist ein essentieller und nicht substituierbarer Baustein in allen Lebewesen und wird vor allem als Dünger für eine ertragreiche Landwirtschaft benötigt. Die endlichen Phosphaterz-Reserven sind auf wenige, teilweise politisch instabile Regionen in der Welt begrenzt und zunehmend verunreinigt (z.B. mit Cadmium und Uran). Deutschland, wie auch nahezu alle Länder der Europäischen Union (EU), hat keine eigenen Rohphosphatlagerstätten und ist deshalb vollständig auf Importe von Phosphat (ca. 100.000 t/a) angewiesen. Dies führt zu großen Risiken bei der Versorgungssicherheit und zur Anfälligkeit gegenüber Preisschwankungen. Phosphatgestein wurde deswegen von der EU bereits im Jahr 2014 auf die Liste der kritischen Rohstoffe gesetzt (2017 folgte „weißer Phosphor P4“), die einen Anreiz für Recycling­aktivitäten geben soll.

Der Düngemittelpreis ist abhängig von Rohphosphatpreis als einem Weltmarktpreis mit zahlreichen Abhängigkeiten. Prognosen sind hochspekulativ, höhere Preise für Phosphat haben Auswirkungen auf die Erwerbbarkeit der Düngemittel und die damit verbundenen Erzeugungspreise für landwirtschaftliche Produkte. Eine wichtige Rolle zur Sicherung der zu­künftigen Versorgung spielt deshalb die Rückgewinnung von Phosphor aus P-reichen Abfallströmen wie Abwasser und Klärschlamm. Das Recycling ist somit als Ressourcenschonung auch ein wesentlicher Beitrag zur Sicherstellung einer ausreichenden Nahrungs­mittelproduktion bei akzeptablen Preisen.

It is a nutrient element, and contrary to other nutrient elements such as potassium, with practically unlimited resources in seawater, and nitrogen, with practically unlimited resources in the air, there are no unlimited resources for phosphorus.

Das Phosphat im Abwasser stammt überwiegend aus den menschlichen Ausscheidungen und ist in den Oberflächengewässern ursächlich für die Eutrophierung verantwortlich. Deshalb wird das Phosphat bei der weitergehenden Abwasserreinigung durch biologische und chemische Prozesse weitgehend aus dem Abwasser entfernt und in den anfallenden Klärschlamm eingebunden.

Dabei ist immer zu beachten – Phosphor ist nicht endlich – wird aber durch die Nutzung außerhalb der Bodenbewirtschaftung immer diffuser verteilt. So wird der Phosphor unserem zukünftigen Zugriff immer mehr entzogen – sofern wir nichts gegen diesen Prozess unternehmen.

 

Die Historie

Die Verwendung von Abwasser zu industriellen Zwecken ist nicht neu. So wurden im antiken Rom an belebten Straßen amphorenartige Latrinen aufgestellt, um den Urin einzusammeln, der als Mittel für die Ledergerbung und die Wäschereinigung benötigt wurde. Um die leeren Staatskassen zu füllen, erhob Kaiser Vespasian auf diese öffentlichen Toiletten eine spezielle Latrinensteuer.

Pecunia non olet.

Lateinische Redewendung - Geld stinkt nicht!

Mit Beginn der „modernen“ Abwasserbeseitigung wurden Mitte des 19. Jahrhunderts die anfallenden Fäkalien als Dünger auf die Felder in der Umgebung verbracht, damit war der Nährstoffkreislauf für Phosphor und Stickstoff größtenteils geschlossen. Die landwirtschaftliche Klär­schlamm­verwertung war auch in Deutschland lange Zeit dominierend. Mit der Erkenntnis, dass mit den Nährstoffen aber auch Schadstoffe (wie Schwermetalle, organische Stoffe) ausgebracht werden, beträgt der Anteil der landwirtschaftlichen Verwertung in Deutschland jetzt weniger als 25 % des anfallenden Klärschlammes – mit sinkender Tendenz.

Kein Kot aufs Brot!

Polemik aus der Protestbewegung gegen die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung, Herkunft unbekannt

Das Gros des Klärschlammes wird vor allem in Zementwerken und Kohlekraftwerken mitverbrannt. Damit werden aber auch die Nährstoffe Stickstoff und Phosphor dem Kreislauf entzogen und in Baumaterialien eingebunden oder in der anfallenden Asche in Untertagedeponien abgelagert.

In der Koalitionsvereinbarung vom 22.11.2013 wurde auf Bundesebene das Ziel formuliert, Phosphor und andere Nährstoffe zurückzugewinnen und die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken zu beenden. Mit der Novellierung der Klärschlammverordnung (03.10.2017) wurde zumindest das erstgenannte Ziel der Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser zum Gesetz. Vereinfacht formuliert, ist gestaffelt nach der Größenklasse der Kläranlagen ab dem Jahr 2029 bzw. 2032 eine P-Rückgewinnung von mindestens 50% aus Klärschlamm bzw. 80% aus Klärschlammasche für alle Kläranlagen in Deutschland Pflicht. Alternativ ist der zu entsorgende Klärschlamm bis auf eine Phosphorkonzentration < 20 g/kg abzureichern. Damit ist Deutschland neben der Schweiz (Ziel: P-Rückgewinnung ab dem Jahr 2026 zu mindesten 50 %) das einzige Land weltweit mit einer Verpflichtung der P-Rückgewinnung aus Abwasser/Klärschlamm!

Die Umsetzung

Schon seit Anfang des Jahrtausends wurden vereinzelt erfolgreich Versuche unternommen, Phosphat in Form von Magnesium-Ammoniumphosphat (MAP) auf Kläranlagen aus dem Prozesswasser der Schlammfaulung durch gezielte Fällungsreaktionen abzuscheiden und den Phosphor in den Düngerkreislauf zurückzuführen. Die Berliner Wasserbetriebe vermarkten das Produkt als „Berliner Pflanze“, die hier produzierten Mengen wie die Rückgewinnungsquote sind jedoch überschaubar. Auch das kanadische Unternehmen OSTARA ist schon länger mit dem phosphathaltigen „Crystal Green“ auf dem nordamerikanischen Markt vertreten.

Nach der Novellierung der Klärschlammverordnung in 2017 wurden von Seiten der Länder wie auch des Bundes umfängliche Fördermaßnahmen zur Entwicklung der P-Rückgewinnung aus Abwasser und Klärschlamm induziert. Ziele des auch mit EFRE-Mittel geförderten Vorhabens von Baden-Württemberg  (2014 – 2020, Budget: 14 Millionen Euro) als auch der von Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Maßnahme Regionales Phosphor-Recycling (RePhoR, Budget: 22 Millionen Euro,2018 – 2021/maximal bis 2027) mit acht Verbundprojekten ist es, durch Unterstützung von technischer Verfahrensentwicklung und regionaler Verbundstrukturen zum flächendeckenden P-Recycling einen Beitrag zur Umsetzung der neuen Klärschlammverordnung zu leisten. Neben anderen zahlreichen Pilotprojekten nehmen die P-Recyclinganlage in Hamburg und Haldensleben bald ihren Betrieb auf.

Viele Betreiber befinden sich noch in der Orientierungsphase. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die zentrale Phosphorrückgewinnung aus den Aschen von Monoverbrennungsanlagen von Klärschlamm durch beauftragte Dritte für die Betreiber von Kläranlagen eine attraktive Variante ist. Der weitere Neubau von Monoverbrennungsanlagen für Klärschlamm ist dabei unabdingbar, da die Mitverbrennung des anfallenden Klärschlammes mit dem Kohleausstieg (2038) nicht mehr möglich ist. In Baden-Württemberg befinden sich unter anderem in Böblingen, im Großraum Freiburg und in Mannheim entsprechende Anlagen in der Vorbereitung.

Es ist auch festzustellen, dass die P-Rückgewinnung aus Klärschlamm zumindest bei den aktuellen Preisen für Phosphat wahrscheinlich (noch) nicht kostendeckend sein wird und Zusatzkosten für den Gebührenzahler absehbar sind. Der Preis für Phosphatgestein (frei ab Casablanca) liegt aktuell bei steigender Tendenz bei rund 85 US-Dollar per Metric Ton (mt). Der Spitzenpreis im Jahr 2008 betrug kurzzeitig 430 USD/mt, mit damals gravierenden Auswirkungen für die Düngemittelpreise (Preisentwicklung einsehbar z.B.unter: https://ycharts.com/indicators/morocco_phosphate_rock_price).

Es bleibt spannend, inwieweit es gelingt, rund 30 - 35 % des in Deutschland heute benötigten Phosphats ab den Jahren 2029 – 2032 aus Klärschlamm zurückzugewinnen. Das Ziel ist klar – der Weg absehbar. Hilfreich ist dabei auch, dass die Forderung einer sehr weitgehenden Phosphorelimination bei der Abwasserreinigung zum Schutz der Gewässer dafür sorgt, dass über 90 % des der Kläranlage über das Abwasser zugeführten Phosphors tatsächlich in den Klärschlamm eingebunden werden.

Viele Augen – nicht in der in der EU – schauen hier auf Deutschland... und die Schweiz!

Die Plattformen

Weitere Informationen zum Thema finden sich für Baden-Württemberg auf der Plattform P-RÜCK des DWA-Landesverbandes, die gemeinsam von Betreibern und dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg finanziert wird. Viele der von Januar bis März 2021 laufenden zehn Regionalkonferenzen zur Information aller Land- und Stadtkreise werden übrigens von Prof. Dr.-Ing. Peter Baumann von der HFT Stuttgart moderiert.

In Deutschland stellen die Deutsche Phosphor-Plattform, in der Schweiz das Phosphornetzwerk Schweiz und in Europa die European Sustainable Phosphorus Platform viele weitere Informationen kostenfrei und aktuell zur Verfügung.

Zum Schluss

Mit Gold sind Nahrungsmittel erwerbbar – aber nur mit Phosphor (und nicht mit Gold) können Nahrungsmittel wirtschaftlich und mit hoher Ertragskraft produziert werden. Phosphor als Gold der Zukunft? – Nein, Phosphor ist so betrachtet, dann wertvoller als Gold. Irgendwann…...aber hoffentlich nicht zu bald.

Ohne Phosphor kein Gedanke!

Ludwig Büchner (1855)
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