Wahlpflichtfach | Sommersemester 2025
Praxisworkshop Stampflehmboden - Historisches Museum Oberamteistraße Reutlingen

Im Rahmen eines partizipativen Workshops wurde im Mai 2025 von Architektur- und Innenarchitektur-Studierenden der Hochschule für Technik Stuttgart, unter Anleitung des Lehmbaubetriebs Monolut, im Untergeschoss des Museum Historische Oberamteistraße in Reutlingen ein Stampflehmboden eingebracht. Der DesignBuild Workshop wurde initiiert von Philipp Stute (wulf architekten) und Melissa Acker (HFT Stuttgart).

Unter Anleitung von Nico Hlawinka und Lennart Sswat der Firma Monolut wirkten Studierende aktiv mit und leisteten so einen Beitrag zur denkmalgerechten Sanierung. Der Keller ist erdberührt und auch ursprünglich war dort mal ein historischer Lehmboden zu finden. Lehm ist feuchtigkeitsregulierend und sorgt für ein angenehmes Raumklima - er kann unter anderem Gerüche binden. Nach dem Einbringen wurde der Boden von 15 auf 9 Zentimeter verdichtet. Zunächst händisch, dann mit passenden Schutzhausschuhen und Stampfern und abschließend mit einer Rüttelmaschine. In nur drei Tagen konnte der Stampflehmboden eingebracht und abgeschliffen werden, bevor er einige Wochen trocknete. Im Anschluss folgt eine Versiegelung mit Carnaubawachs.

Der Boden wirkt ruhig, erdverbunden und handwerklich präzise. Sogar Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck stattete dem Workshop einen Besuch ab und stampfte tatkräftig mit. Das Projekt Museum Historische Oberamteistraße wird im Herbst 2025 fertiggestellt. Bauherrin ist die Stadt Reutlingen.

Der Workshop war als Wahlfach eine Kooperation von wulf architekten mit der HFT Stuttgart, Monolut, conluto und der Stadt Reutlingen. Der Praxisworkshop wurde geleitet von Philipp Stute M.A. und Dipl.-Ing. Stephan Burger (wulf architekten), Nico Hlawinka und Lennart Sswat (Monolut GmbH), sowie Dipl.-Des. Melissa Acker (Hochschule für Technik Stuttgart).

Auftaktveranstaltung

Zur Vorbereitung auf den Workshop fand im März 2025 eine Kick-off Veranstaltung statt.
Diese beinhaltete eine Baustellenbesichtigung in Reutlingen durch Projektleiter Stephan Burger (wulf architekten), und es wurde ein Referenzprojekt besichtigt: die Bischofsgrablege Sülchenkirche in Rottenburg am Neckar - insbesondere im Hinblick auf den dort von Lehm Ton Erde eingebrachten Stampflehmboden. Johannes Schellinger (Dipl.-Ing. Architekt, Leiter Sachgebiet Baubetreuung, Abt. Grund- und Bauverwaltung, Rottenburg) gab bei einer Führung spannende Einblicke in den Bauprozess.
Darüber hinaus wurden bei einem Vortragsabend von Jörg Meyer, Geschäftsführer bei conluto, verschiedene Lehmbaustoffe vorgestellt. Lennart Sswat von der Monolut GmbH vermittelte Grundlagen des Stampflehmbaus, und Melissa Acker, akademische Mitarbeiterin an der Hochschule für Technik Stuttgart, sprach unter dem Titel „Lehm verbindet“ über die Vorteile von Lehm für partizipative Workshops in gemeinwohlorientierten Projekten.

Ausgangssituation

Die historische Häuserzeile Oberamteistraße 28-32 und der Keller des 1972 abgebrochenen »Steinernen Hauses« auf dem Grundstück Nr. 34 gehören zum ältesten und interessantesten Baubestand der Stadt Reutlingen. Die Bauzeugnisse reichen zurück ins 12. und 13. Jahrhundert, der Gründungszeit der ehemaligen freien Reichsstadt Reutlingen. Somit zählt die historische Oberamteistraße zu den ältesten Fachwerkhäuserzeilen Süddeutschlands, die die Entwicklung von Bau- und Wohnkultur authentisch widerspiegelt.

Die denkmalgerechte Sanierung umfasst die Instandsetzung der Altbauten sowie einen Neubau an der Stelle des nicht mehr vorhandenen Eckhauses »Steinernes Haus«. Der Neubau soll alle dienenden Funktionen sowie die statische Sicherung der Häuserzeile übernehmen. Die Altbauten dienen als Museum und sind selbst Exponat. Sie stellen über 700 Jahre Stadt-, Kultur- und Baugeschichte aus.
Der Neubau ist in seinem äußeren Erscheinungsbild zurückhaltend ausgebildet. Die innere Struktur besteht aus einem hölzernen Fachwerk, das die angrenzende Häuserzeile abstützt und das verlorene Volumen des historischen Hauses nachbildet. Der Neubau nimmt die barrierefreie Erschließung der Altbauten auf und bietet Raum für kleinere Veranstaltungen. Er ist vom Dach und über die Fassaden mit einer homogenen Schicht aus gussgläsernen Biberschwanzziegeln bekleidet. Je nach Lichteinfall, Reflexion und innerer Beleuchtung ist das dahinterliegende hölzerne Fachwerk mehr oder weniger sichtbar, das Gebäude wirkt durchscheinend oder glitzernd, wie eine Chimäre. Die neu gestaltete Hülle lässt das Innere verschwommen erscheinen, wie bei einer lang zurückliegenden Erinnerung. Etwas, das in der Erinnerung derer fortbesteht, die das alte Haus noch kannten, wird für zukünftige Generationen wieder sichtbar gemacht. Die einst stadtbildprägenden Gebäude werden in ihrer historischen Ensemblewirkung wieder erlebbar und Geschichte als öffentlich zugängliches »Exponat« präsentiert.

Das Projekt Oberamteistraße wird über die Denkmalförderung sowie das Bundesförderprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat gefördert.

Mehr Informationen: www.wulfarchitekten.com/projekte/detail/show/museum-oberamteistrasse

Workshop - Impressionen