Die Initiative »RE:LIFE UKRAINE« verfolgt die Idee, Studierende aus der Ukraine und Europa zusammenzubringen und deren kreatives Potenzial zu nutzen, die Zerstörungen in der Ukraine zu kompensieren.

Bis Oktober 2023 wurden in der Ost-Ukraine ca. 170.000 Wohngebäude mit ca. 2.5 Mio. Wohnungen, 3.400 Bildungseinrichtungen und Gebäude für Gesundheit, Sport und Kultur im Wert von ca. € 5.9 Mrd. vernichtet. Viele Verantwortliche in der Ukraine gehen davon aus, dass diese Teile des Landes auf absehbare Zeit für Ukrainer nicht bewohnbar sein werden. Aus diesem Grund sollen für die geflüchteten Menschen in »sicheren« Teilen des Landes, insbesondere im Westen neue Dörfer und Städte entstehen. Die Zeit drängt. Viele Kinder sind betroffen, die in ihrer persönlichen/individuellen Entwicklung in gesicherten Lebensräumen aufwachsen sollen, um Traumata zu minimieren und ihnen einen optimistischen Start ins Leben zu ermöglichen.

Der Wiederaufbau großer Städte und deren Infrastruktur ist durch nationale Regierungsprogramme und internationale Investitionen gesichert. Kleine Gemeinden und ländliche Strukturen dagegen haben großen Rekonstruktionsbedarf, der nicht ausreichend finanziert ist. Die wichtigsten Partner der Initiative »RE:LIFE UKRAINE« sind die National Academy of Fine Arts and Architecture Kyiv (NAFAA), das Kyiv Polytechnic Institute (KPE), die Kyiv National University Construction and Architecture (KNUCA), die UdK Berlin, die TU Berlin, die HFT Stuttgart sowie die Nationale Architektenkammer der Ukraine.

12 Studierende der National Academy of Fine Arts und Architecture (NAFAA) reisten mit zwei ihrer Professorinnen aus Kyjiw an, um gemeinsam mit Studierenden aus den Studiengängen Architektur, Innenarchitektur und KlimeEngineering ein Wohngebiet für vertriebene Familien zu planen und zu entwerfen. Es wurde konkret: 40 Familien mussten aus Bachmut flüchten, konnten aber vor kurzer Zeit ein »sicheres« Areal auf dem Land in der Nähe von Kyiw erwerben, um dort zu siedeln. Die Familien haben das »Zuhause« und die Arbeit verloren. So soll auf diesem Grundstück Wohnraum entstehen, aber auch Infrastruktur für neue Existenzen - kleine Handwerksbetriebe, Dienstleister, Cafés, Restaurants etc. Ein erstes Cluster als Nukleus für weitere Entwicklungen.

Während einer Exkursion zum Auftakt – besucht wurde müllerblaustein, ein Holzbau-Unternehmen, das nachhaltige Gebäude aus Holz plant, die Bauteile in der Werkstatt fertigt und auf der Baustelle zusammenfügt – konnten die Studierenden erste Kontakte herstellen, sich kennenlernen und anschließend multiprofessionelle Teams für die weitere Arbeit bilden. In den folgenden Tagen haben diese Teams alle relevanten Themen vertieft, die Ergebnisse zusammengefasst und in einer improvisierten Ausstellung im EG Bau 8 gezeigt.

Das Team KlimaEngineering hat die Klimadaten des Areals analysiert – in Bezug auf die durchschnittlichen Jahrestemperatur-Verläufe, Windverhältnisse, globale Sonneneinstrahlung etc., daraus prinzipielle Möglichkeiten für die Gebäudeplanung abgeleitet und Empfehlungen für die Entwerfer entwickelt. Kompaktheit, Zonierung in Lageplan und Grundrissen, lokaler Energieträger und Materialressourcen – auch Cradle to Cradle – um eine Siedlungsstruktur zu entwickeln, die ressourcenbewusst und möglichst energieautark sein kann. Das Team Smart City Solution analysierte die Bedürfnisse der Menschen und leitete daraus Bewertungskriterien für neue Siedlungsstrukturen ab. Das Team Architektur und Innenarchitektur hat o.g. Erkenntnisse exemplarisch in Gebäudetypologien und Grundrissstrukturen implementiert, sodass die Entwurfskonzepte auch Basis künftiger Agglomerationen werden können.

Am Donnerstag-Abend wurde das Symposium »Holistic Concepts for Future Living Spaces« in der Häfelbox, Bad Canstatt mit Lifeschaltung nach Kyiv zu einem akademischen Höhepunkt. Professoren und Professorinnen der NAFAA und der HFT Stuttgart haben in Impulsvorträgen ihre Positionen zu ganzheitlichen Konzepten für zukünftige Lebensräumen in der Ukraine präsentiert und die Notwendigkeit solcher internationaler, akademischer Formate bekräftigt.

Die Studierenden wurden von Prof. Iris Belle, Prof. Volkmar Bleicher, Christoph Claus, Genya Moore, Maria Tokar, Prof. Hanna Oliinyk, Prof. Ralf Petersen und Prof. Diane Ziegler angeleitet. Das Interesse und das Engagement der Teilnehmer am Workshop war überragend, weshalb bereits weiteren Kooperationen, ggf. in regelmäßigen Formaten geplant sind. So wird eine Bachelor-Thesis von Prof. Ralf Petersen im Sommersemester 24 das Thema aufgreifen.

Veröffentlichungsdatum: 27. März 2024