Forschen und Promovieren in einem wissenschaftlichen Projekt

Wie ein Blick in die weite Welt dies möglich machte

Wer forscht, arbeitet oft zugleich auch an seiner Promotion. An Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) war dies bis vor Kurzem ein (noch) schwieriges Unterfangen, denn die Hochschulen besaßen (Stand 2019-2022) kein eigenes Promotionsrecht. Dies soll sich bald ändern. Wer aber bisher an der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT Stuttgart) den Doktortitel erlangen wollte, benötigte die Kooperation mit einer Universität.

Ein Beispiel für eine ausgezeichnete Kooperation zeigt die akademische Reise von Valentin Kammerlohr, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HFT Stuttgart, zur wissenschaftlichen Promotion.

Rückblick: Im Jahr 2019 sucht Valentin Kammerlohr eine neue Herausforderung außerhalb der Industrie und möchte in die Wissenschaft wechseln. An der HFT Stuttgart startet zu diesem Zeitpunkt das Projekt DigiLab4U – eine perfekte Möglichkeit für Kammerlohr endlich den Weg in die Forschung einzuschlagen.

Das Projekt verbindet Lehr-/Lernforschung und neueste Industrie 4.0-Technologien mit dem Ziel, eine digitale Transformation von Laborumgebungen zu erreichen, zum Beispiel mithilfe von Plattformgeschäftsmodellen und technologiebasierten Vertrauen. Die Projektbeteiligten stammten aus unterschiedlichen Disziplinen wie Didaktik-, Technik- und Organisationsentwicklung und setzten sich aus fünf europäischen Universitäten und Forschungsinstituten zusammen.

Das wissenschaftliche Arbeiten war für ihn zu Beginn immer noch Neuland und der Alltag mit Peer-Reviews, Konferenzen, Publikationen und selbstgesteuerte Forschung musste erst neu erlernt werden. Hierzu gehören auch Rückschläge wie nicht veröffentlichte Beiträge, aber Schritt für Schritt wurden neue Erkenntnisse und Erfahrungen gewonnen und von da an lief es mit der Forschungsarbeit.

Wie funktioniert eine Promotion an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften?

Das nächste Ziel hieß nun Promotion und dies war an HAWs bisher nicht ganz so einfach (link). Man benötigte hierfür eine Universität, mit der man in Kooperation zusammenarbeiten kann. Prof. Dr.-Ing. Dieter Uckelmann, Professor für Informationslogistik an der HFT Stuttgart, stand als betreuender Professor Herrn Kammerlohr zur Seite und gemeinsam wurden sie schließlich an der Auburn University in Alabama, USA, fündig. „Vielleicht verwundert es, dass wir den Weg über die USA gegangen sind, so Prof. Uckelmann, aber letztendlich zählt die Übereinstimmung zu dem Forschungsvorhaben und diese haben wir an der Auburn University vorgefunden.“

Kammerlohr entschied sich für die Einschreibung als Doktorand im Bereich Business Information Systems. Durch diese kooperative Promotion mit der HFT Stuttgart genoss er zum Einen die Vorteile der Online-Betreuung eines Ph.D.-Programmes in den USA und konnte zum Anderen weiterhin im Projekt DigiLab4U in Stuttgart forschen. Die Projektmitarbeit zählte dabei weiterhin als seine Haupttätigkeit und die Promotion als parallele und ergänzende Aufgabe. Dies war allerdings nur möglich, da die Auburn University sich nach außen öffnete und die virtuelle Promotionsbegleitung erstmalig zuließ (link).

Dank der Unterstützung von Professor Dr. David Paradice von der Auburn University gelang der Spagat zwischen Stuttgart und den USA jedoch perfekt. Durch die Aufnahme von Prof. Uckelmann als „Affiliate Faculty“ im „Department of Systems and Technology“ in Auburn konnte Prof. Uckelmann in die formalen Betreuungsabläufe der Auburn University einbezogen werden.

Nach statistischen und fachübergreifenden Prüfungen am Ende des ersten und zweiten Jahres standen im dritten Jahr die Veröffentlichungen im Fokus. „Nachdem ich die Prüfungen gemeistert hatte, konzentrierte ich mich auf Veröffentlichungen in Konferenzen und Fachzeitschriften sowie auf mein abschließendes Forschungsprojekt, die für das dritte Jahr und den Abschluss erforderlich war. In meinem Fall hatte die Corona-Pandemie den Vorteil, dass ich mich ganz auf meinen Beruf und meine Promotion konzentrieren konnte. Die Kurse in Auburn wurden durch die Pandemie ausschließlich virtuell und durch die Zeitverschiebung in den späten Nachmittags- bzw. Abendstunden angeboten, so dass ich diese auch aus Deutschland heraus und neben der Projektarbeit besuchen konnte.“, so Kammerlohr rückblickend.

Eine virtuelle Reise mit analogem Ende

Zu Ende des Projektes gelang Kammerlohr die Fertigstellung seiner Dissertation zum Thema "Three Studies of Shared Digital Labs: The Role of Trust in Business and Maturity Model Development" (link). Zur Antragsverteidigung griff er die Arbeit, die er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HFT Stuttgart geleistet hatte, auf und stellte diese vor. Nach einer komplett virtuellen Verteidigung kam schnell der Wunsch auf, die Auburn University zur Graduiertenfeier zu besuchen. Erstmalig nach mehreren Jahren Zusammenarbeit lernten Kammerlohr und Prof. Uckelmann die beteiligten ProfessorInnen kennen und besuchten den Campus. Die Feierlichkeiten im Stadion und in der Basketballarena fasste er so zusammen: „In den USA weiß man, wie man hart arbeitet, aber noch mehr, wie man einen solchen Erfolg zelebriert.“

Zusammengefasst lässt sich sagen: Eine kollaborative Promotion von einem Forschungsprojekt mit einer HAW und einer Universität als Partner ist möglich und für manche vielleicht auch Anreiz, den Weg in die Wissenschaft zu gehen. Voraussetzung sind unterstützende ProfessorInnen, die Kammerlohr an der HFT Stuttgart mit Prof. Uckelmann und an der Auburn University mit Prof. Paradice nicht hätte besser treffen können. Die Zusammenarbeit hat gezeigt, dass große Synergien durch einen Blick über den Tellerrand hinaus geschaffen werden können und dass Vertrauen und kollegiale Unterstützung in der Forschung eine wichtige Rolle spielen.

 

Veröffentlichungsdatum: 25. Juli 2022 Von Janina Adamo-Bornowksi ()