HFT-Forschende entwickeln in Kooperation mit STEG und Stadt Stuttgart digitales Tool für Beteiligungsprozesse von Städten und Gemeinden

Mit 3D-Beteiligungsplattform Bürgerinnen und Bürger aktiv am Planungsprozess beteiligen

Forschende der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT) haben eine digitale 3D-Beteiligungsplattform entwickelt, mit der sich Bürgerinnen und Bürger an der Entwicklung von Gebieten in ihrem Wohnort online beteiligen können– trotz Corona-Pandemie. Projektpartner sind die Stadt Stuttgart und die STEG Stadtentwicklung GmbH. Eingesetzt wird das digitale Tool für den „Zukunftsdialog Weilimdorf“ im Planungsgebiet westlich der Solitudestraße.

Weil größere Präsenzveranstaltungen derzeit nicht möglich sind, kann die 3D-Beteiligungsplattform für Kommunen ein nützliches Tool sein, um zu informieren und Meinungen, Ideen und Wünsche im Beteiligungsverfahren zu sammeln. Die Einwohnerschaft kann sich online am PC oder Smartphone durch eine interaktive geografischen 3D-Landschaft durch den Raum navigieren und sich informieren. Bis Ende Januar 2021 ist die Plattform für die Weilimdorfer zugänglich.

Die 3D-Beteiligungslattform entstand durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Geoinformatiker Patrick Würstle und Rushikesh Padsala, der Planerinnen Carolin Lahode und Sarah Sutter, der Wirtschaftspsychologin Sarah Lang und dem Akustikforscher Alexander Lee - alle vom Transferprojekt M4_LAB der HFT. Dieses Transfervorhaben wird von der Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ gefördert. 

Wir bringen im Projekt unsere Expertise im Bereich Digitalisierung, 3D-Stadtmodelle, Planung und Bürger-Befragungen ein. Vor allem möchten wir durch den Technologie-Transfer aus der Hochschule in die Gesellschaft Impulse für Beteiligungsprozesse geben.

Prof. Dr. Volker Coors,
Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Forschung (IAF) der HFT

Navigation durch den Raum: anschaulich und plastisch

Ein zentraler Bestandteil der Beteiligungsplattform ist die 3D Umgebung. Die bereits bestehenden Gebäude werden im Planungsgebiet dreidimensional dargestellt. Die Nutzerinnen und Nutzer schauen aus der Vogelperspektive auf ein plastisches Modell, das für viele anschaulicher wirkt als ein gewöhnlicher flacher Stadtplan. Die Bürgerinnen und Bürger können durch den Raum navigieren und an markierte Stellen mit einem Klick Informationen über denkbare Nutzungen erhalten.

Auch für die Entwicklungsgebiete Böckinger Straße in Zuffenhausen-Rot sowie am Stuttgarter Nordbahnhof arbeitet die HFT-Forschungsgruppe an einer solchen Plattform.

Meinungen der Bürgerinnen und Bürger sind gefragt

Ein zentrales Element der Beteiligung ist eine integrierte Umfrage. Hier können die Bürgerinnen und Bürger ihre individuellen Ideen und Anmerkungen hinterlassen: Was sollte nach ihren Vorstellungen dort für die Gemeinschaft entstehen und gebaut werden? Darüber hinaus wird auch nach einem Stimmungsbild gefragt. Fühlen sich die Bürger gut eingebunden in den Beteiligungsprozess?

Die 3D-Beteiligungsplattform enthält außerdem Informationen über bestehende Planungen und Beschlüsse der kommunalen Gremien. Zudem werden im Gebiet ansässige Vereine und Organisationen vorgestellt.

Auf der 3D-Beteiligungsplattform können sich die Weilimdorfer im Planungsgebiet durch verschieden Bereiche A, B, C und D zu den markierten Punkten navigieren, wo neue Projekte entstehen sollen. Im Bereich des Areals A der interaktiven 3D-Karte werden die Bürgerinnen über bestehende Ideen informiert, zum Beispiel ein Bürgerhaus zu realisieren für die Vereins- und Kulturarbeit. Das Gebiet B ist durch eine sportbezogene Nutzung geprägt. Hier gibt es bereits Sportplätze, Leichtathletikflächen oder Tennisplätze, für die eine Weiterentwicklung vorgesehen sind. Gebiet C, wo früher eine Gärtnerei angesiedelt war, besitzt vor allem grüne Freiflächen. Dort betreibt momentan ein Verein ein „Urban Gardening“ als temporäres, zeitlich-befristetes Projekt.

Wohnungen sind im ganzen Gebiet aufgrund des Lärmpegels nicht vorgesehen.

Mehr Menschen erreichen?

Mit der 3D-Beteiligungsplattform besteht vielleicht auch die Chance, dass breitere Bevölkerungsschichten als bisher erreicht werden können, weil sie zeitlich und räumlich unabhängig sind. Junge Familien sind oft aufgrund der Kinderbetreuung verhindert. Auch für Jugendliche könnte der Online-Zugang niedrigschwelliger sein. Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, hätten die Möglichkeit, sich zu beteiligen, ohne das Haus verlassen zu müssen.

„Für uns ist das ganze Praxis-Projekt auch eine gute Möglichkeit, die 3D-Beteiligungsplattform zu testen und zu verbessern. Wir sind auf das Feedback von den Bürgerinnen und Bürgern gespannt“, so das HFT-Forschungsteam. Auf der Plattform können die Nutzer hinterlassen, ob das digitale Tool seinen Zweck erfüllt oder es verbessert werden sollte.

Nicht nur Weilimdorf, sondern viele Städte und Gemeinden sind gerade durch die Corona-Pandemie in der Bredouille, was die Entwicklungsplanung von Arealen anbelangt. Der übliche Vorgang: Werden neue Gebiete von den kommunalen Verwaltungen in Abstimmung mit den kommunalpolitischen Gremien geplant, beginnt parallel auch ein Beteiligungsverfahren. Die Kommune lädt alle Bürgerinnen und Bürger zu Veranstaltungen ein, wo sie Wünsche, Anregungen und Bedenken äußern können. Doch größere Präsenz-Termine können derzeit nicht stattfinden, weil aufgrund der Corona-Pandemie soziale Distanz geboten ist.

Insgesamt bieten solche digitalen Plattformen auch unabhängig von der Corona-Pandemie die Chance, sich über die Entwicklung von Planungsgebieten zu erkundigen. Online- und Offline-Formate können gut ergänzt werden. Parallel zu dem digitalen Beteiligungsverfahren in Weilimdorf sollen auch Spaziergänge und Ortsbegehungen stattfinden.

Mit diesem Kooperationsprojekt sammeln wir neue Erfahrungen im Bereich virtuelle Beteiligung. In Ergänzung zu herkömmlichen Partizipationsangeboten ergeben sich für die Bürgerinnen und Bürger neue Möglichkeiten in die Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden. Dies ist ein entscheidender Schritt, um attraktive, lebendige und vor allem akzeptierte Quartiere zu schaffen.

Dr. Tilman Sperle,
STEG Stadtentwicklung
Veröffentlichungsdatum: 01. Dezember 2020 Von Susanne Rytina (), Janina Adamo-Bornowksi ()