Warum sprechen wir eigentlich nicht über den wenig verdichteten, suburbanen Raum?

17.02.2021, von Prof. Dr.-Ing. Christina Simon-Philipp und Verena Marie Loidl

Ein kooperatives Lehrforschungsprojekt

Zu Zeiten von Wirtschaftswachstum und Automobilisierung, in der fossile Energie unerschöpflich schien und das Bild der Kleinfamilie als klassisches Lebensmodell vorherrschte, entstand ein kollektives Ideal vom Wohnen im eigenen Haus. Seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts sind Ein- und Zweifamilienhäuser ein prägendes Merkmal der Siedlungsentwicklung. Bis heute zählt der Typus zu den beliebtesten Wohnformen in Deutschland. In der Stadtregion Stuttgart sind 76% aller Wohngebäude Ein- oder Zweifamilienhäuser. Dieser wenig verdichtete, suburbane Raum findet in der planerischen und baukulturellen Debatte allerdings nur wenig Beachtung.  Im Rahmen eines Seminars im Wintersemester 2020/2021 sollte ein neues (Planungs-)Verständnis für die Typologie geschaffen werden, die heterogen und differenziert ist und in der sich städtische und ländliche Fragmente mischen. Mit künstlerischen, wissenschaftlichen, experimentellen und qualitativen Methoden haben Studierende die suburbanen Gebiete untersucht. Aufgabe war es, die bauliche Genese der Ein- und Zweifamilienhäuser atmosphärisch zu erkunden und die Erkenntnisse und Beobachtungen zu dokumentieren.

Wie möchte ich wohnen, wenn ich groß bin?

Die Studentinnen Corina Sonntag, Katrin Weidner, Mona Edelmann und Vera Wetteskind untersuchten, ob das Ideal vom Wohnen im eigenen Haus von Kindern weiterhin angestrebt wird. Insgesamt 73 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 6 und 11 Jahren haben an einem Architekturexkurs teilgenommen und ihre Wunschvorstellung des Wohnens gezeichnet.

Nachverdichtung und Gemeinschaft

Ann-Kathrin Brodel, Julia Ebert und Sina Drechsler beschäftigten sich mit Nachverdichtungsmaßnahmen im suburbanen Raum und der Akzeptanz in der Nachbarschaft. Die Gruppe ging der Frage nach, ob und wie der Gemeinschaftssinn der Bewohnerinnen und Bewohner gestärkt und die Wohnqualität durch Nachverdichtung verbessert werden kann. Im Rahmen der Arbeit wurden zwei exemplarische Projekte untersucht und narrative Interviews durchgeführt.

Weitere Gruppen beschäftigten sich mit den Themen Kultur im (sub-)urbanen Raum, Gewerbe und Wohnen, Öffentlicher Raum, Individualismus, Utopien des gestapelten Einfamilienhauses und Werbung und Wirkung. 

Lehre im digitalen Raum

Seit einem Jahr lehren und lernen wir im digitalen Raum. Von Studierenden und Lehrenden wird dabei eine große Umstellung verlangt – bei Kommunikation, Vermittlung von Wissen und Zusammenarbeit. Um den diskursiven, interaktiven und kreativen Charakter der Lehre nicht zu verlieren, wurde eine Vielzahl an Medien und Methoden eingesetzt: digitale Gastbeiträge, (narrative) Interviews via Zoom, neue Tools zur Zusammenarbeit (Miro) und Analysen im öffentlichen Raum. Die offene Gestaltung des Seminars spiegelt sich in der Themenvielfalt und den unterschiedlichen Projektergebnissen - Videos, Plakate, Broschüren - wider. Die Ergebnisse werden vorerst im digitalen und (sobald möglich) im analogen Raum ausgestellt.

 

Kooperatives Lehrforschungsprojekt „Leben vor der Stadt“

„Leben vor der Stadt“ ist ein Lehrforschungsprojekt der Wüstenrot Stiftung und der Hochschule für Technik Stuttgart. Im Kontext der Internationalen Bauausstellung 2027 soll der prägende Siedlungsbestandteil der Ein- und Zweifamilienhäuser untersucht und Impulse für deren Weiterentwicklung gesetzt werden.