Modell des Gesamtkonzepts

Viele Beteiligte, ein gemeinsames Ziel – Konzeption und Bau eines Gebäude-Prototypen als Wettbewerbsbeitrag für den Solar Decathlon Europe 21/22

Zahlreiche Studiengänge bilden interdisziplinäres Wettbewerbsteam

Wie schaffen wir bezahlbaren urbanen Wohnraum, können dabei nachhaltig Bauen, den Klimaschutz berücksichtigen, die Ressourcen schonen und erneuerbare Energien einsetzen? Der Beitrag des Teams coLLab der HFT Stuttgart versucht mit seinem Wettbewerbsbeitrag am Solar Decathlon 21/22 (SDE 21/22) Antworten auf diese drängenden aktuellen Fragestellungen zu finden.

Seit der Qualifizierung zur Teilnahme im Januar 2020 ziehen neben dem studentischen coLLab Team auch Professor:innen, Mitarbeiter:innen der Forschung der HFT Stuttgart und Kooperationspartner der Wirtschaft mit vollem Einsatz an einem Strang, ein solches Gebäude zu konzipieren und letztlich ausschnitthaft als Bauwerk im Juni 2022 am Austragungsort in Wuppertal umzusetzen. Das Konzept wird im Kleinen durch vier gebaute Module, dem Demonstrator, veranschaulicht. Auch zahlreiche Professoren und Studierende unserer Fakultät sind mit Herzblut und Engagement mit dabei.

Die urbane, ökologische Nachverdichtung am Standort Stuttgart
Der Solar Decathlon Europe wird seit 2008 ausgetragen, das aktuelle Thema des solaren Zehnkampfs sieht diesmal keinen Neubau, sondern eine urbane Nachverdichtung vor. Aus drei möglichen Szenarien entschieden sich die Teilnehmer für die Option der Aufstockung. Als Bestand wählten sie das Universitätsgebäude „Bau 5“ ein Gebäude aus den fünfziger Jahren auf dem Campus der HFT, das nicht nur aufgestockt, sondern gleichzeitig auch saniert werden soll.

Durch Stuttgarts Kessellage mangelt es der Innenstadt bereits jetzt an ausreichend frischer Zuluft. Die Auswirkungen der globalen Erwärmung dürften die Situation verschärfen und die Stadt ist gefragt, darauf zu reagieren. Ein schon länger anhaltender und sich zuspitzender Wohnraummangel und damit verbundener hoher Mieten ist ein weiterer Aspekt, gebaute Lösungen für Stuttgart zu finden.

Die Vision
In der zweigeschossigen Aufstockung wird neuer Wohnraum für Studierende, Hochschulangehörige und Nutzergruppen mit geringem Einkommen wie beispielsweise Alleinerziehende und Rentner entstehen, in den unteren Geschossen sind offene Arbeitsräume, Co-Working Spaces, Gemeinschafts-Werkstätten, Seminarräume und ein Café vorgesehen. Die Vision ist eine Architektur, die Gemeinschaft fördert und ein lebendiges Stadtviertel, ein Ort des Austausches und der sozialen Interaktion entstehen lässt.

Das Konzept und die Umsetzung
Für das Bestandsgebäude wurde eine Konstruktion auf Grundlage eines Rasters einwickelt, das sogenannte Grid. Die Holzskelettkonstruktion kann durch eine Änderung der Achsgröße des Rasters auch auf die Tragstruktur ähnlicher Gebäude angepasst werden und ist somit flexibel übertragbar.

Die kreislauffähige Konstruktion kann seriell gefertigt werden und beherbergt neben den Wohnbereichen auch Frei- und Gemeinschaftsbereiche sowie Erschließungsflächen.  
Eine Holzrahmenkonstruktion wird entlang der Bestandsfassade bis ins Erdgeschoss geführt. Ein Netz aus Stahlseilen umschließt das gesamte Gebäude, in ihm werden rautenförmige organische Photovoltaikmodule (OPV) eingehängt. Sie liefern solare Energie und verschatten das Gebäude.

Das Team stellt sich 10 Disziplinen analog zum olympischen Zehnkampf
Insgesamt werden 10 Disziplinen gefordert – Architektur, Komfort, Nachhaltigkeit und Energieperformance zählen dazu, aber auch urbane Herausforderungen wie bespielweise der sozial-ökonomische Kontext. Jede einzelne Disziplin wird von einem Team oder einem Projekt der HFT Stuttgart begleitet. Das vorhandene Knowhow der Professor:innen und Mitarbeiter:innen aus unterschiedlichen Studiengängen, Forschungsteams und des studentischen Kernteams coLLab wird dabei gebündelt und schließlich zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammengefügt.
Bei der sogenannten „Design Challenge" wird schließlich das Gesamtgebäudekonzept gewertet. Für die „Building Challenge“ wird im Juni 2022 ein Prototyp - ein voll funktionierender Demonstator im Maßstab 1:1 - in Wuppertal aufgebaut. An diesem exemplarischen Gebäudeausschnitt werden die geforderten Disziplinen gemessen, geprüft und bewertet.   

Die Etappen, der Bau von Fassadenelementen in den Werkstätten, der Innenausbau und das Leitsystem
Bis die Umsetzung des Prototypen starten konnte, wurden zahlreiche Zwischenetappen erfolgreich gemeistert: Konzeptentwicklung, Bestandsanalyse, Überprüfung des Tragwerks, Studien zum Energiekonzept, Gebäudesimulationen zu Belichtung, Modellabgaben beim Auslober des Wettbewerbs, um nur einige Etappen zu nennen. Zudem galt es, sich neben den planerischen Aufgaben als Team zu organisieren, Kommiliton:innen für die Sache zu gewinnen und neue Strukturen zu schaffen, um die interdisziplinäre Projektarbeit in dieser Größenordnung zu ermöglichen.

Das Projekt MAKE ist ein interdisziplinäres Entwurfsprojekt des Master-Studiengangs Architektur und des Bachelor-Studiengangs KlimaEngineering mit dem Ziel, einen gesamtheitlichen Entwurf zu konzipieren.
Betreuende Professoren waren dabei: Markus Binder, Volkmar Bleicher, Jan Cremers, Lutz Dickmann, Andreas Löffler, Ralf Petersen und Peter Schlaier 

Im September 2021 war es endlich soweit. Der Bau von Fassadenteilen konnte beginnen! So wurden im September und im Dezember die Werkstätten der Fakultät Architektur und Gestaltung quasi das zweite Zuhause für die Studierenden des coLLab-Teams. Dabei war der Name coLLab, in Anlehnung an das Wort Kollaboration = Zusammenarbeit, durchaus wörtlich zu verstehen – gemeinsam wurde täglich unermüdlich geleimt, geschweißt, geschraubt und montiert, was das Zeug hält! 

Das studentische coLLab Team bildet sich aus Studenten und Studentinnen der Studiengänge Architektur, Gebäudephysik, Innenarchitektur, Internationales Project Management, KlimaEngineering (zur Fakultät Architektur und Gestaltung gehörend) und der Studiengänge Bauingenieurwesen und Gebäudephysik (zur Fakultät Bauingenieurwesen gehörend).  

Bau der Holzfassade
Für den Bau des Demonstators werden insgesamt 220 m² Holzfassadenelemente gebraucht. Diese werden aus den Resthölzern eines Holzwerks gefertigt. Die Verschnitthölzer, die beim Fassadenbau als Abfall übrigbleiben, werden in neuer Anordnung verleimt und zu großflächigen Elementen mit variierender Anordnung und Farbigkeit kombiniert. Hier wird die Idee des Upcyclings konkret umgesetzt.

Testung und Bau des Stahlnetzes für die organischen Photovoltaikmodule (OPV)
Die OPV-Module werden durch ein Stahlnetz in der Weise an der Fassade angebracht, dass sie den größten Nutzen zum Innenraumkomfort und zur Energieversorgung beitragen. Durch eine vorangegangene parametrische Simulation wurden die Faktoren Energiegewinnung, Verschattung und Tageslichteinfall untersucht und die Erkenntnisse daraus auf die Anordnung der OPV-Module übertragen. Sie werden mal dichter und mal weniger dicht angeordnet und so ergibt sich ein für das Gebäude maßgeschneidertes Fassadenbild.

Innenräumliche Gestaltung und Entwicklung eines Ausstellungskonzepts
Betreut durch Prof. Jens Betha
Ergänzendes Wahlfach mit Jutta Schädler (Szenografie) und Sabine Wiesend (Lichtgestaltung)  

Innerhalb von drei Semestern wurden auf der Grundlage des MAKE-Entwurfs zahlreiche Entwürfe zum Wohnen entwickelt, aus denen am Ende nun einer zur Umsetzung kommt. Parallel dazu wurde für die Ausstellung in Wuppertal ein Ausstellungskonzept ausgearbeitet. Ergänzend hierzu fanden Seminare in Szenografie und Lichtgestaltung statt.

Das Finale im Juni 2022  Aufbau in Wuppertal
Am 20. Mai 2022 startet der Aufbau der Demonstratoren aller insgesamt 18 teilnehmenden Hochschulen aus 11 Ländern in Wuppertal. Ab dem 10. Juni sind die Prototypen für Besucher geöffnet und gleichzeitig auf dem Prüfstand – vor Ort wird die Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt, es wird gemessen, getestet und schließlich Auszeichnungen für jede Disziplin vergeben. Dieser zweiwöchige Praxistest wird zeigen, welches Team Gestaltung, Technik und Innovation am überzeugendsten verknüpfen konnte – unsere Daumen sind natürlich für coLLab gedrückt! Go for it, coLLab!

Übrigens: Jeder, der neugierig ist und mehr erfahren oder mitarbeiten möchte, ist immer herzlich willkommen, beim coLLab-Team vorbeizuschauen.
Einfach bei Annabell Gronau vom coLLab Team unter annabell.gronau(at)hft-stuttgart.de melden oder auf www.collab.hft-stuttgart.de vorbeischauen.

Quelle: www.collab.hft-stuttgart.de

 

Veröffentlichungsdatum: 15. Februar 2022 Von Cornelia Jänicke ()