Entwerfen 1 | Ibelis Suyai Bullentini, Fabienne Limberger, Nicolai Schurr, Anna Tancredi & Jule Lea Wöllhaf | 1. Semester | Wintersemester 2020/21

"Das Raumverorten ist Thema des letzten Zyklus des ersten Semesters. Die Studierenden formulieren eine Raumidee an einem realen Ort, in diesem Semester in einer Waldung. Sie sind dabei herausgefordert, über Ort, Nutzung und Raumidee selbst zu entscheiden. Sie wählen einen charakteristischen Ort in einem Wald und versuchen, den Ort in allen Ihnen wichtig erscheinenden Aspekten zeichnerisch zu erfassen. Sie ergänzen Ihre Zeichnungen durch eine fotografische Serie des Ortes und entscheiden sich für eine freie Nutzung wie Atelier, Aussichtsturm, Forsthaus, Hotel, Kapelle, Kneipp Haus, Museum, Schutzhütte, Waldkindergarten, Waldschenke… 

Beim Formulieren der Raumidee greifen Sie auf ihren Entwurfsschatz der bisherigen Zyklen zurück. Auf die angewandten Themen der raumbildenden Elemente und Strukturen, der Raumfolgen, der Übergänge und Schwellen. Sie klären, ob und wie Ihr Entwurf auf den Kontext reagiert, welche Einblicke er zulässt, welche Ausblicke er einfängt. Sie zeichnen einen entwurfserläuternden Plansatz und bauen großformatige Modelle, die am Ort fotografiert werden."

Die Arbeit wurde durch Prof. Jonathan Scheder und Mona Hoffmann-Schwabe betreut.

 

ZWEIG

Ein Raum.
Ein Andenken vielleicht an die Schönheit dieser Welt. Die Natur.
Vielleicht an den grausamen Mensch.

Noch ein Raum.
Ein Blick von
oben herab,
der nicht
vergessen zu
werden vermag.

Und dazwischen der Weg.
Der Einen in der Ruhe anstrengt.

Ibelis Suyai Bullentini

Ein Ort für Nichts

Mitten in einer Senke entsteht ein Gebäude, das sich vom Boden abhebt und sich auf eine ähnliche Höhe wie die umliegenden Bäume erhebt. Der Nutzer soll hier die Möglichkeit haben, den Alltag zu vergessen und mehr zu sich selbst zu finden. Es entsteht ein Ort, an dem eigentlich nichts geschehen soll, was aber schon eine ganze Menge ist. Auch die Architektur, wie beispielsweise wenige kleine Fenster und der zum Himmel offene Raum, unterstreichen das Loslösen der Außenwelt.

Fabienne Limberger

Besenwirtschaft am Märzenbuckel

Der Märzenbuckel.
Eine großzügige Lichtung im Wald mit einem steilen Gefälle, einigen Felsgruppen, die sich aus dem Boden schieben und einem weiten Ausblick hinab in das Kochertal. Der Felsen am höchsten Punkt der Lichtung, am Ende einer Zunge, die sich aus dem Berg bewegt, dient als natürliche Aussichtsplattform. Im Vergleich zu einigen anderen Orten im Wald gehört dieser durch seine abgelegene Position jedoch nicht oft zu den Wanderzielen der umliegenden Bewohner. Um das zu ändern, habe ich mich dazu entschieden, auf Nachfrage einiger Bekannten und Freunde eine kleine Besenwirtschaft an diesem besonderen Ort zu planen.
Um die abgelegene und ruhige Atmosphäre der Lichtung nicht zu stören, ist das Gebäude etwas weiter hinten am Waldrand verortet. Es zieht sich zurück und soll den Aussichtsfelsen nicht ersetzen, sondern bereichern. Auch der Ausblick soll dem Ort vorbehalten sein, so orientiert sich das Gebäude mit seiner Aussicht zwar am Hang, jedoch aber eher zurück in den Wald.

Nicolai Schurr

Wort Atelier

Das „Wort Atelier“ bietet einem Bücher Schreibenden einen temporär bewohnbaren Wohn- und Arbeitsplatz in einem Waldstück in der Nahe der Heslacher Wasserfälle im Süden Stuttgarts. Symmetrisch angeordnete Wandklammern halten das sich zur Hälfte im Erdreich befindende Atelier und fassen einen konzentrierten Raum auf knapp 65m2. Eine steile Treppe herabsteigend wird das Studio hinter der Gebäudekante betreten, die Nutzräume befinden sich im hinteren Bereich und spielen eine untergeordnete Rolle. Das raumteilende Regal bildet schmale Gänge, welche auf der rechten Seite zum Schlafbereich und auf der linken zum Lesezimmer führen. Der Ofen bietet Wärme und ein Gefühl des Wohlbefindens. Sobald der enge Gang verlassen wird, eröffnen weiterlaufende, beinahe raumhohe Fenster den Blick in den Wald und auf die gegenüberliegende Ansteigung. Im Zentrum des Studios liegt das Arbeitszimmer, welches durch aufeinander zulaufende, begrenzenden Wandscheiben Konzentration und durch den Blick ins Grün Kreativität fördern. Schiebetüren zum Schlaf- und Lesebereich ermöglichen flexible Raumgefühle während des Schreibprozesses.

Anna Tancredi

Waldkapelle

Die Kapelle als Andachtsräumlichkeit bietet einen Ort, um in sich zu kehren – zu gedenken.
Es geht um ein bewusstes Eintreten und das Spüren der Atmosphäre.
Genau diese Aspekte waren für mich beim Entwerfen meiner Waldkapelle besonders wichtig.

Beginnend mit einem schmalen Weg, der noch ein Stück tiefer in den Wald führt. Das Betreten erfolgt zwischen zwei sich überlappenden Wandscheiben und ohne übliche Tür, um so wenig Ablenkung wie möglich zu erfahren.

Zudem verfolgt der Entwurf das Prinzip des bewussten Ansteigens über lang gestreckte Stufen, der Weg zu einem Ziel, welches sich hier hauptsächlich im Kapellenraum befindet. Neben dem Eingang beinhaltet dieser die einzige Öffnung. Sie dient jedoch viel mehr dazu, das Nachdenken anzuregen oder das entstehende Lichtspiel auf sich wirken zu lassen, als einen Ausblick nach draußen zu schaffen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, beim Verlassen des Hauptraumes nochmals zu stoppen und im vorgelagerten Raum eine Kerze zu entzünden, bevor man die Kapelle wieder verlässt. Wichtig war mir außerdem auch die Eingliederung in den vom Wald definierten Ort.

Jule Lea Wöllhaf