Master-Thesis | Rosa Ackermann | Sommersemester 2019

Die Thesis „Democratic Base - Kann Gesellschaft Gestaltung verändern?“ untersucht den Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Entwicklung und Architektur. Beispiele um 1900 zeigen auf, dass Architektur schon damals Verräumlichung sozialer Praxis war und auf die gesellschaftlichen Entwicklungen, die auf die Industrielle Revolution folgten, reagierte. Die modernen Entwürfe dieser Zeit sind also stets als persönlicher Beitrag auf der Suche nach einer besseren Zukunft zu lesen.
Es wird deutlich, dass Gestaltung nicht autonom funktioniert, nicht nur rein ästhetischen Zwecken dient oder unabhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen gesehen werden kann. Vielmehr wird klar, dass gute Architektur eng mit dem sozialen Leben verwoben sein muss. Diese wichtige Eigenschaft der Gestaltung scheint in den letzten Jahrzehnten jedoch in den Hintergrund geraten zu sein.
Um das politische Potenzial von Gestaltung wieder in den Fokus zu rücken und eine Entwurfsidee zu entwickeln, die gegenwärtigen Strömungen entspricht, werden aktuelle Themen in drei Texten behandelt. Nach der Industriellen Revolution ist heute die Digitale Revolution treibende Kraft der Veränderung und deren Auswirkungen auf das politische System, den öffentlichen Raum und die gesellschaftliche Organisation werden näher untersucht. Nicht zuletzt verändert sich die Art, wie wir über Gemeinschaft, Gesellschaft und Politik denken, durch die neuen technischen Möglichkeiten. So wird bei der Betrachtung der Gegenwart deutlich, dass eine Voranschreitende Subpolitisierung ein Gegenmodell zur klassischen Parteipolitik darstellt. Politik wird auf das Wesentliche reduziert und findet nun auch an neuen Orten und durch neue Akteure statt. Der Wettbewerb kleiner Ideen und Initiativen steht im Vordergrund und die Pluralität, die erzeugt wird, kann ein viel differenzierteres Abbild der Gegenwart erzeugen als es der Konsens je könnte. Die neue politische Bewegung ist im Modell der Hubs, den Handlungszentren, und den Spokes, der Bewegung zwischen den Zentren, organisiert. Eine Hierarchielosigkeit ermöglicht eine extreme Agilität und dadurch eine schnelle Reaktions- und Anpassungsfähigkeit.

Der Entwurf setzt an dem Punkt an, dass die differenzierten Meinungen der politischen Untergrundbewegung den Sprung in die Realität oft nicht schaffen. Ein politisch funktionierender öffentlicher Raum existiert nicht und eine Unsichtbarkeit nach Außen ist die Folge. Da die neue Generation der Tüftler, der Querdenker und der Weltverbesserer sowie ihre Visionen und ihr Handeln unbedingt gesehen werden müssen, wird im Rahmen dieser Arbeit ein neuer öffentlich politischer Raum gestaltet. Dieser soll es der engagierten Gesellschaft ermöglichen, sich nach ihren Vorstellungen einzubringen und
so die traditionelle Parteipolitik anzutreiben und zu fordern. Damit die differenzierten Ideale der Gesellschaft sichtbar werden, Aufmerksamkeit erlangen und wachsen können, muss die Öffentlichkeit aktiv miteinbezogen werden. Diskussionen müssen angestoßen, Proteste gestartet, Ideen verwirklicht und Informationen verbreitet werden. Der neue Raum muss dabei direkt in der Öffentlichkeit entstehen, denn Anerkennung und Zuwachs kann nur derjenige bekommen, der auch präsent ist. Um den Entwurf in den überfüllten Städten der Gegenwart verorten zu können, wird auf die Kombination aus Tiefgarage und öffentlichem Platz zurückgegriffen, die beinahe in jeder Stadt anzutreffen ist. Da das private Auto an Bedeutung verliert, wird die Nutzung dieses Raumes in Zukunft zur Disposition stehen. Am Beispiel des Mannheimer Marktplatzes über- oder besser gesagt „unterlagert“ so eine neue Struktur den öffentlichen Raum.Die Architektur funktioniert wie ein Common Working Space mit Arbeitsplätzen für einzelne Initiativen, Gemeinschaftsbereichen sowie dienenden Räumen. Hier können Synergien zwischen den verschiedenen Initiativen entstehen. Kontaktpunkte, die eine andauernde Sichtbarkeit sowie einen Informationsfluss sicherstellen sorgen für einen regen Austausch mit der Öffentlichkeit.
Die praktische Arbeit stellt einen persönlichen Vorschlag da, den neuen subpolitischen Akteuren einen Ort in der Stadt zu schaffen und sie so öffentlich sichtbar werden zu lassen. Erst dadurch kann die  Arbeit im Kleinen als wichtiger Teil des politischen Diskurses anerkannt und gestärkt werden. Es darf nicht länger darum gehen, die Strukturen der Gegenwart zu verwalten sondern darum, Neues zu erlauben - zu suchen, zu forschen, zu spekulieren und zu träumen, von einer besseren Zukunft.

Diese Arbeit wurde von den Professoren Andreas Kretzer und Wolfgang Grillitsch betreut.