Bei der städtebaulichen Entwicklung und insbesondere der Quartiersentwicklung spielt die Nutzung von Erdgeschossen eine große Rolle. Die Wohnnutzung ist dabei aber in den letzten Jahren stark in den Hintergrund getreten. Dies liegt einerseits an dem Sicherheitsnachteil durch erhöhte Einbruchgefahr und zum anderen aber auch an der stärkeren Lärmbelastung. In einzelnen Untersuchungen wurde sogar bereits explizit von einer Wohnnutzung in Erdgeschossen abgeraten oder diese sogar ausgeschlossen. Durch die zunehmende Verknappung des Wohnraumes gerade in den größeren Städten erfährt die Erdgeschoss-wohnung jedoch eine Wiederbelebung und kann dadurch zu einem wichtigen Lösungsansatz zur Verminderung der Wohnungsnot werden. Denn andererseits liegen die Vorteile einer Erdgeschosswohnung ebenfalls auf der Hand. Da der Zugang häufig ohne Treppe möglich ist, kann eine solche Wohnung damit oft recht einfach alters- oder behindertengerecht ausgeführt werden. Zudem erlaubt ein direkter Zugang zu Garten, Terrasse oder Innenhof eine klare Aufwertung der Wohnsituation und ein Wohnen auf Augenhöhe mit der Außenwelt. Nicht zuletzt erweist sich die geringere Aufheizung infolge stärkerer Verschattung sowie der thermische Ausgleich in Richtung der kühleren Kellerräume im Sommer als vorteilhaft.
In dem hier dargestellten Projekt soll nun ein wesentlicher Nachteil einer Erdgeschosswohnung, nämlich die zumeist höhere Lärmbelastung, genauer betrachtet und Strategien zur effektiven Lärmminderung erarbeitet werden. Ziel des Projektes ist es daher, zur Attraktivität von Erdgeschossen für die Wohnnutzung beizutragen und bei bestehenden Erdgeschosswohnungen Lösungsansätze zur gezielten Minderung der Lärmbelastungen zu vergleichen. Nachfolgend wird das Vorgehen aufgezeigt und die einzelnen Teilprojekte werden genauer beschrieben.
In einem ersten Schritt sollen die möglichen Lärmbelastungen in typischen Erdgeschosswohnungen genauer erfasst, systematisiert und charakterisiert werden. Dabei kann auf Ergebnisse bereits abgeschlossener Projekte, Untersuchungen, Bachelor- und Masterarbeiten an der HfT Stuttgart zurückgegriffen werden. Diese werden zusammengestellt und durch Literaturwerte ergänzt, um einen möglichst vollständigen und genauen Überblick von möglichen Lärmquellen und Immissionssituationen zu erstellen. Weiterhin ergänzt und überprüft werden soll diese Zusammenstellung durch in-situ Messungen an einigen exemplarisch ausgewählten Erdgeschosswohnungen im Großraum Stuttgart. Diese ausgewählten Wohnungen sollen eine Lärmvorbelastung durch unterschiedliche Lärmarten aufweisen, um eine tatsächliche Validierung der Lärmarten vornehmen zu können. Zusätzlich wird angestrebt, das vorgefundene Schalldämmniveau der Wohnungen zu erfassen. Abschließend für diesen Projektteil erfolgt eine Zusammenstellung von unterschiedlichen Belastungsszenarien im urbanen Raum.
Zur Erfassung typischer Belastungen durch Verkehrslärm wurden zwei Messkampagnen im Erdgeschoss in Stuttgart am ZfB und in einer Studierenden-WG in Tübingen durchgeführt. Dabei wurden die Schalldruckpegel vor der Fassade und im Innenraum längere Zeit synchron gemessen. Anschließend wurden typische Vorbeifahrt-Situationen von Pkw, Lkw, Bussen und Motorrädern extrahiert und analysiert. Es zeigte sich, dass die Schalldämmung der Glas-Fassade am ZfB recht gering ist, während die modernen Fenster in der Tübinger WG die Studierenden besser vor Lärm schützen. Insgesamt dominiert innen meist der Frequenzbereich um 200 Hz, da hier übliche Isolierglas-Scheiben einen Einbruch in der Schalldämmung haben und die Anregung durch Verkehrslärm schon relativ hoch ist. Anschließend wurden einige der gemessenen Innengeräusche auralisiert und in einem Hörversuch mit 32 Probanden die Lästigkeit ermittelt. Hierbei fanden wir heraus, dass die psychoakustische Lästigkeit recht gut mit der gemessenen Lautheit korreliert. Diese Zwischenergebnisse wurden auf der 49. Jahrestagung für Akustik DAGA 2023 in Hamburg präsentiert und mit einem breiten Fachpublikum diskutiert. Das Projekt wurde im Rahmen der Auxiliaris-Förderung freundlicherweise durch Dr. Liudmyla Perchevska sowie in einer Kooperation mit dem Construction Research Centre des National Research Council (NRC) Ottawa in Canada kompetent unterstützt. Die Veröffentlichung kann hier bereits eingesehen werden.
Den Abschluss des Projektes bildet ein Maßnahmenkatalog, der es erlauben soll, je nach Situation geeignete Maßnahmen auszuwählen. Bei den zu planenden und neu zu errichtenden Wohnungen bestehen andere Möglichkeiten als bei nachträglichen Maßnahmen in Bestandswohnungen. Ebenso sind bei unterschiedlichen Lärmbelastungen nicht immer die gleichen Maßnahmen sinn- und wirkungsvoll. Der Maßnahmenkatalog soll allen potentiell Beteiligten wie auch Planenden Hinweise geben, wie wirkungsvoller Lärmschutz in Erdgeschosswohnungen umgesetzt werden kann.
Leitung | Prof. Dr.-Ing. Berndt Zeitler |
Fördergeber | Vermögen und Bau Baden-Württemberg |
Laufzeit | 01.01.2022–31.08.2025 |
Name & Position | E-Mail & Telefon | Büro | |
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Professor / IAF Direktorium / Akustikgruppe | +49 711 8926 2507 | 7/104 | |
Lehrbeauftragter / Wissenschaftler | +49 711 8926 2982 | 7/114 |