Wettbewerb Glorious Hubs erster Preis Aussenansicht

Glorious Hubs – Die Wiederentdeckung der Bahnhofsareale als zentrale Lebensorte der Region Stuttgart

Studierendenwettbewerb des Verbands Region Stuttgart in Kooperation mit der Hochschule für Technik Stuttgart

In vielen Ländern folgt die Stadtplanung oftmals dem Prinzip des transit oriented development (TOD): In fußläufiger Umgebung der Bahnhöfe werden Quartiere in hoher Dichte mit Nutzungsvielfalt und hoher Qualität des öffentlichen Raum gebaut. Der Studierendenwettbewerb untersucht, ob dieses Modell auf die Region Stuttgart übertragbar ist.

Stuttgart benötigt dringend neuen Wohnraum – ein Thema, das angesichts der knappen Flächenreserven nur auf regionaler Ebene gelöst werden kann. Gleichzeitig haben Stuttgart und die Region bekanntermaßen ein Verkehrsproblem. Die Gefahr ist, dass die Verkehrsproblematik durch den zusätzlich entstehenden Wohnraum noch verschärft wird. In vielen Ländern mit ähnlichen Herausforderungen folgt die Planung dem Prinzip des transit oriented development (TOD). Dabei werden die Haltestellen oder Knotenpunkte des öffentlichen Personennahverkehrs zu Schwerpunkten der städtebaulichen Entwicklung herausgebildet: Der Einzugsbereich der Haltestellen wird stark verdichtet, um hier ein Maximum an Nutzfläche zu erzielen. Gleichzeitig wird das Umfeld der Haltestellen durch entsprechende Nutzungsprogramme und stadtgestalterische Maßnahmen so aufgewertet, dass die umliegenden Gebiete in einer für den Fuß- und Radverkehr attraktiven Weise an die Haltestelle angeschlossen werden – Stichwort „walkability“ und „last mile problem“. Im Idealfall übernimmt der Bereich um die Haltestelle die Funktion eines urbanen Quartiers- oder Stadtteilzentrums; an der Haltestelle selbst kann ein Mobility-Hub entstehen.

Im Rahmen eines Studienprojekts an der Fakultät Architektur und Gestaltung der HFT Stuttgart wurde 2018 untersucht, wie sich dieses Planungsprinzip auf die Region Stuttgart anwenden lässt.

Der Regionalverband wollte mit dem Wettbewerb diesen Ansatz weiterverfolgen. Es wurden Areale im Umfeld von fünf S-Bahn-Haltestellen bzw. Regionalbahnhöfen ausgewählt, die exemplarisch für typische Situationen in der Region stehen, insofern Vorbildcharakter haben und eine gewisse Übertragbarkeit der städtebaulichen Aufgabe gewährleisten könnten. Die Teilnehmer:innen konnten sich eines der Areale auswählen, wobei teils auch eine Vorauswahl durch die Hochschule vorgenommen wurde. Gesucht waren ganzheitliche Konzeptionen und zukunftsweisende Visionen, die aufzeigen, was die teilweise vernachlässigten Standorte für die Region Stuttgart im Zeichen der Verkehrswende leisten können und müssen. Die Ergebnisse des Wettbewerbs zeigen Beispiele, wie die Bahnhöfe eine Strahlkraft für den Ort und als Knotenpunkte der Region entwickeln, wie teils sogar dezentrale Zentren entstehen, die auch peripher gelegenen Orten mehr Urbanität geben, wie die Einbindung ins Quartier aufgewertet und gestärkt wird und nicht zuletzt, wie die Bevölkerung in die Transformationsprozesse einbezogen werden kann.

Nachfolgend finden Sie die Wettbewerbsergebnisse mit Texten aus dem Wettbewerbsprotokoll. 
Studierende der Fakultät Architektur und Gestaltung der HFT Stuttgart zählten mit ihren Beiträgen zu den Gewinnern des Wettbewerbs – neben zahlreichen Nominierungen ging ein 3. Preis und eine Auszeichnung an sie. 

Preise

1. Preis (2.000 €)
Gina Uthoff & Anne Weidner | HKA Karlsruhe

Der verfolgte Ansatz ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert und zeichnet sich durch einen ausgesprochen behutsamen Umgang mit dem Bestand aus. Die bestehenden Gewerbebauten werden punktuell aufgestockt. In Leerräumen und untergenutzten Bereichen werden punktuell neue Gebäude platziert. Einzig die sehr kompakte Überbauung des Bahn-Haltepunktes ist hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit kritisch zu sehen. Erwähnenswert ist ferner der sensible Umgang mit der freien Landschaft im Süden. Dort werden inselartig einige neue Nutzungen angesiedelt, eine Verdichtung findet dabei eher nach Osten hin in Richtung der zentraleren Lagen der Böblinger Kernstadt statt. Besonders hervorzuheben ist der tragende Gedanke eines ringförmigen Erschließungsbandes, das den Bereich der Hulb mit der Stadtmitte und dem sogenannten Flugfeld, einem relativ jungen Quartier nördlich des Bahnhofs Böblingen, vernetzt und dabei auf nachhaltige Fortbewegungsformen setzt. Auf intelligente Weise werden dabei zentrale Funktionen eingebunden, zudem entstehen neue Räume für Aktivitäten und Andockstellen für weitere Entwicklungen und Initiativen. Der gesamtstädtisch angelegte Entwurf ist städtebaulich originell, dabei auch in Etappen umsetzbar und insgesamt überzeugend dargestellt. Weiterführende konzeptionelle Gedanken – etwa zu Stoffkreisläufen, experimenteller Landwirtschaft und nachhaltiger Energieversorgung – runden das positive Gesamtbild ab.

Die Arbeit wurde durch Prof. Susanne Dürr betreut.

2. Preis (1.500 €)
Manuel Kramm, Susanna Manzke & Lisa Marmarotis | Universität Stuttgart

Der sorgfältig ausgearbeitete Entwurf setzt sich eingehend mit dem Bestand auseinander. Ziel ist es, die vorhandenen städtebaulichen Strukturen effektiv für ein Mobilitätskonzept und eine nachhaltige Innenentwicklung zu nutzen. Um ein Netz von Mobilitätshubs zu entwickeln, erfolgt dabei zunächst die stufenweise Umwidmung von Garagen und Parkplatz-Flächen. Langfristig sollen diese Hubs ausgedehnt und auch für Gemeinbedarfs- und Logistiknutzungen zur Verfügung stehen. Erst in der Weiterentwicklung entsteht ein Bahnhofsquartier am Haltepunkt Renningen Süd, das eher traditionell gemischt genutzt ausgestaltet ist. Die Gebäude sind gedacht als Typologie-Hybride für Wohnen und Nahversorgung, adressbildende Sonderbauten für Kultur und Büronutzung sowie Wohngebäude für unterschiedliche Wohnmodelle. Der angestrebte Transformationsprozess erfolgt insgesamt partizipatorisch und fokussiert sich in erster Linie auf die Innenentwicklung sowie auf die Aufwertung und Nachverdichtung des Bestandes. Der Entwurf zeigt sehr detailliert und nachvollziehbar den Weg dorthin auf und rückt die Erforderlichkeit eines vitalen und nachhaltigen Mobilitäts- und Wohnverhaltens in den Vordergrund.

Die Arbeit wurde durch Prof. Dr. Laura Calbet i Elias und Anna Kübler betreut.

3. Preis (1.000 €)
Chris Philipp, Jan Tondera, Rosa Walz, Milan Wittrock & Yannik Zelenka | HFT Stuttgart

Der Ansatz ist das Game-Changing: ausgehend von einer Bürgerstiftung, die als beratende und helfende Einrichtung fungiert, sollen Mensch und Material künftig eine sich ergänzende „Einheit“ bilden. Dabei wird die S-Bahn-Station durch eine kreative Nachverdichtung zum Experimentierfeld für urbanes Leben und gleichzeitig für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Davon ausgehend erfolgt zunächst die Aufwertung des Bestandes. Im Anschluss entsteht eine behutsame Erweiterung des Bestandes in Form von Tiny-Houses oder Containern als Startups für eine spätere Bebauung. Das hier entstandene Interimsquartier geht über in ein Stadtregal. Hierbei etabliert sich der Upcycling-Gedanke und die Integration des örtlichen Gewerbes. Es entstehen Co-Working-Spaces, Mehrgenerationen-Wohnen, Genossenschaftswohnen und temporäre Wohnformen. Das Ergebnis ist ein CO2-neutrales nachhaltiges Quartier mit polyvalenten Flächen, einem innerörtlichen Park und starker eigener Identität. So entsteht ein sozial gerechter Gegenentwurf zum klassischen Einfamilienhausgebiet mit privater Grünfläche. Das zur Verfügung stehende Gebiet wird dabei nur minimal versiegelt. Zwar sieht der Entwurf eher wenig zusätzlichen Wohnraum vor, dieser wird jedoch ganzheitlich gestaltet und an unterschiedlichste Lebensmodelle angepasst.

Die Arbeit wurde durch Prof. Dr. Philipp Dechow betreut.

4. Preis (700 €)
Florian Körber, Franzisca Lanz & Emelie Pernutz | HTWG Konstanz

Ausgangspunkt der Arbeit ist die integrierte Betrachtung des Haltepunktes Böblingen-Hulb und des nahe gelegenen Regionalhaltepunktes Danziger Straße. Dazu wird eine Verlegung letztgenannter Haltestelle und die Ausgestaltung einer städtebaulichen Achse zwischen beiden Haltepunkten vorgeschlagen. Der neu entstehende Boulevard soll dabei als Kristallisationspunkt weiterer Entwicklungen dienen: Das bestehende Gewerbegebiet Hulb wird aufgewertet, der zentrale, entlang des Boulevards orientierte Bereich zu einem produktiven Quartier umgebaut. Neue Nutzungen lagern sich in Form eines „urbanen Quartiers“ an. Diese Gliederung in drei Teilquartiere mit jeweils eigenständigen Charakteristika ist nachvollziehbar hergeleitet. Auch die Errichtung mehrerer Hubs mit diversen Verkehrs- und Zentralitätsfunktionen fügt sich schlüssig in das Gesamtbild ein. Besonders hervorzuheben ist die Ausbildung eines „Grünen Loops“, der zentrale Funktionen verknüpft und der nachhaltigen Fortbewegung und Erschließung dient. Auch die Zugänge in den Freiraum sowie angrenzende Siedlungsräume sind mit Bedacht gesetzt. Etwas fragwürdig ist freilich, inwieweit die Etablierung eines großzügigen Boulevards und die Ausbildung urbaner Subzentren einen tragfähigen Ansatz für den Standort darstellen. Insgesamt wird der ambitionierte Entwurf vom Konzept bis zum städtebaulichen Detail gut ausgearbeitet und überzeugend präsentiert.

Die Arbeit wurde durch Prof. Leonhard Schenk und Jeronimo Andura betreut.

Anerkennungen

Anerkennung (400 €)
Maxine Hattler | HFT Stuttgart

Der Entwurf sieht die Nachverdichtung des Gewerbegebiets Hulb und eine schrittweise Neubebauung der südlich gelegenen freien Flächen vor. Dort entsteht sehr kompakter Wohnungsbau, der punktuell durch weitere Nutzungen (Kultur, Einkaufen, Bildung, Co-Working) angereichert wird. Anders als viele andere Arbeiten für diesen Standort wird der Bahnhaltepunkt nicht überbaut, sondern mit einem geschwungenen Brückenbauwerk überspannt. Die Hubs beziehungsweise Mobilitätsfunktionen und weitere Nutzungen werden dezentral beiderseitig der Gleise untergebracht. Das neue Wohngebiet erscheint in seiner Umsetzung eher konventionell und könnte unter Umständen etwas mehr Nutzungsmischung vertragen. Markant ist das breite „Grüne Band“, das das geplante Gebiet in zwei Bereiche teilt und multifunktional bespielt werden soll. Insgesamt zeichnet sich die Arbeit durch einen angenehmen Pragmatismus und Realitätssinn aus. Angedeutet werden zudem weiterführende Ansätze, etwa für eine partizipative Ausgestaltung und Nutzung des Wohnumfelds. Angemessen und gelungen ist auch der darstellerische Duktus.

Die Arbeit wurde durch Prof. Dr. Gunther Laux betreut.

Anerkennung (400 €)
Anucia Dixon & Janine Schöttinger | KIT Karlsruhe

Der Entwurf sieht vor, die Nürnberger Straße zu aktivieren und einen Mobilitätsumstieg für Bad Cannstatt zu entwickeln. Am Wilhelmsplatz und der S-Bahn-Haltestelle Nürnberger Straße entstehen Mobility Hubs, die Quartiere selbst sind verkehrsberuhigt und mit weiteren kleineren Hubs ausgestattet. In der Nürnberger Straße werden öffentlich genutzte Grünräume sowie eine nutzungstechnische Zonierung vorgesehen, sodass ein Boulevard bzw. Shared Space mit unterschiedlichen Funktionen ausgebildet werden kann. Eine „Radallee“ verknüpft den Boulevard der Nürnberger Straße mit den Grünflächen des Kurparks. Die Arbeit versucht, über den Hub einen zentralen Ort im vorhandenen städtischen Geflecht mit einer Platzsituation zu erzeugen. Das Konzept verfolgt die These, dass die Nürnberger Straße nicht mehr gebraucht wird und daher rückgebaut sowie zu einem Stadtboulevard umgestaltet werden kann. Auf dem Stadtboulevard werden konsequent Freiraumqualitäten geschaffen, es erfolgt eine intensive Auseinandersetzung mit dem Straßenraum. Es stellt sich die Frage, ob die auffällige Überdachung des Hubs einen ausreichenden Eingriff am Standort darstellt. Kritisch wird daher diskutiert, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht eher zu einer symbolisch ästhetisierenden statt einer substanziellen Aufwertung führen.

Die Arbeit wurde durch Prof. Dr. Barbara Engel, Sara Reichwein & Anna Kuzyshyn betreut.

Nominierungen

Pia Thissen | KIT Karlsruhe
Die Arbeit wurde durch Prof. Dr. Barbara Engel, Sara Reichwein und Anna Kuzyshyn betreut.

Fabian Lippert & Lennard Springmann | HS Karlsruhe
Die Arbeit wurde durch Prof. Susanne Dürr betreut.

David Finger & Ilona Berger | HS Darmstadt
Die Arbeit wurde durch Prof. Dipl.-Ing. Dita Leyh betreut.

Philipp Deilmann & Johannes Pojtinger | Universität Stuttgart
Die Arbeit wurde durch Anna Kübler betreut.

Verena Leser, Leonie Geis, Lukas Nerb & Selina Reinhardt | HTWG Konstanz
Die Arbeit wurde durch Prof. Leonhard Schenk & Jeronimo Andura betreut.

Marcel Braun, Philemon Bühler, Kai-David Hertfelder & Robert Heimsch | HFT Stuttgart
Die Arbeit wurde durch Prof. Dr. Philipp Dechow betreut.

Daniel Klaus & Jan Tondera | HFT Stuttgart
Die Arbeit wurde durch Prof. Dipl.-Ing. Harald Roser und Prof. Dr. Gunther Laux betreut.

Anja Seuchz-Wirth & Evelyn Göckler | HFT Stuttgart
Die Arbeit wurde durch Prof. Dipl.-Ing. Harald Roser und Prof. Dr. Gunther Laux betreut.

Julia Müller | HFT Stuttgart
Die Arbeit wurde durch Prof. Dipl.-Ing. Harald Roser und Prof. Dr. Gunther Laux betreut.

Axel Buntan | HFT Stuttgart
Die Arbeit wurde durch Prof. Dipl.-Ing. Harald Roser betreut.

Joanna Parassiadis & Engin Ercetin | HFT Stuttgart
Die Arbeit wurde durch Prof. Dr. Philipp Dechow betreut.

Alexander Bran | HS Darmstadt
Die Arbeit wurde durch Prof. Dipl.-Ing. Dita Leyh betreut.

Silas Wochele, Eileen Raußen, Tanja Krings & Dominik Schmidt | HFT Stuttgart
Die Arbeit wurde durch Prof. Dr. Philipp Dechow betreut.

Hannah Bühr, Evelyn Dufner, Laura Pfeiffer & Hans Weisner | HFT Stuttgart
Die Arbeit wurde durch Prof. Dr. Gunther Laux, Michael Glück, Olaf Hildebrandt und Dipl.-Ing. Malte Novak betreut.

Sophie Eitner | HS Darmstadt
Die Arbeit wurde durch Prof. Dipl.-Ing. Dita Leyh betreut.

Ceren Isbilir | HS Darmstadt
Die Arbeit wurde durch Prof. Dipl.-Ing. Dita Leyh betreut.

Veröffentlichungsdatum: 24. Januar 2022 Von Annabel Angus ()